„Ich brauche nichts… ich habe keine Wünsche…..“

Darunter gibt es auch eine Übersetzung von: „Ich will nicht leben“

 

 

 

 

 

Aus der Erfahrung, dass die Auseinandersetzung mit der Welt nicht ganz einfach ist, hat man sich einfach von ihr abgewendet und lehnt sie ab. Was einem unbequem war, bezeichnet man nun einfach als äusserlich und materialistisch und hat so einen Grund gefunden, sich darüber zu erheben. Dies ist eine ungesunde Vermeidung, die sich als Erleuchtung getarnt hatte.

Anstatt sich mit der Welt der Materie, den Emotionen und Gefühlen und dem innerweltlichen Ichgefühl zu stellen, zu versöhnen und sich von ihnen auf Gott verweisen lassen, gibt man ihnen einfach eine feindliche Konnotation und will sie auf diese Weise umgehen.

Alles nur noch von aussen zu beobachten und dadurch verdampfen zu lassen, aufzulösen, was sicherlich seine Berechtigung hat, beinhaltet eben auch die Gefahr der Flucht davor. Dann ist es nicht eine Wahrnehmung, welche Verklebungen berichtigt, sondern eine pathogene Disidentifikation, die aus der Furcht des echten Einlassens entstanden ist.

Es ist mentale Erleuchtung.

Es ist eigentlich eine Strategie der Überhöhung des Ichs. Da Mondäne wird ablehnt, da man sich dadurch als etwas Aussergewöhnliches statuieren kann. Die Unannehmlichkeit der inneren Auseinandersetzung wird dann „erweitertes Bewusstsein“ genannt.

Man kann es in dieser sehr schmerzhaften Welt sehr wohl verstehen, warum sich Menschen angezogen fühlen von einer Vorstellung von Erleuchtung, die es ihnen erlaubt, aus dem emotionalen Körper zu fliehen.
In der Einleitung zu „Jetzt“ beschreibt Eckhardt Tolle genau eine solche Erfahrung. Er schreibt, dass er suizidgefährdet war und in einer Nacht fand er eine Art Mechanismus, wie er in diese andere Perspektive des Bewusstseins wechseln konnte. Und er sagte auch, dass er die nächsten zwei Jahre auf Parkbänken sitzend verbrachte, im Prinzip dysfunktional, ohne Freunde oder sozialen Austausch, in einem Zustand, den er „Bliss“ nennt. Na ja, die meisten Psychologen würden das lesen, und es Dissoziation nennen und nicht Erleuchtung. 

Das, was als „Erleuchtung“ bezeichnet wird, ist eine leichte Ausweitung der Perspektive. Das bedeutet noch lange nicht, dass man in der Wirklichkeit angelangt ist.

Wenn wir es mal in eine numerische Form bringen, wobei 100 die Verwirklichung der Gottesbeziehung darstellt, der Verankerung in der ewigen Gestalt der Seele, dann leben die meisten Menschen irgendwo rund um 5, und manche Leute können bis 7 gehen. Die nennen wir dann „spirituelle Lehrer“. Wenn sie sich Illusionen machen, denken sie, sie wären den ganzen Weg gegangen. Das sind sie nicht. Sie haben eine kleine Ausweitung des Bewusstseins erfahren, mit der man aber noch lange nicht „hausieren“ braucht.

Die heiligen Texte sprechen von der Transzendierung des Leidens. Einige verstehen darunter, sich einfach davon zu entfernen. Der eigentliche Weg aber meinte, sich damit still auseinandersetzen und konfrontieren und sich dann davon auf Gott verweisen lassen.

Beide sprechen dieselbe Sprache, haben aber einen sehr unterschiedlichen Ansatz.

Man kann sich durch eine innere spirituelle Praxis sich selber stellen und sich Gott ausliefern, aber man kann sich dadurch auch innerlich energetisieren und die Dunkelseite einfach wegmeditieren und mit Mantras wegsingen.

Ein Schein-Erleuchteter vermag eine sehr starke charismatische Persönlichkeit sein, weist vielleicht sogar ein starkes Energiefeld auf und ihr mentaler Körper vermag einen enormen Einfluss auf andere Menschen ausüben. Sie mögen sogar von sich selber glauben, jenseits des Egos und aller Schatten zu sein. Es mag sogar sein, dass sie effektiv nicht mehr so beeinflusst sind von der Welt um sie herum. Aber wie viele von diesen Leuten habe ich gesehen, die plötzlich aggressiv werden, wenn sie wieder persönliche Beziehungen eingehen, die plötzlich wieder gestört werden, wenn sie sich einlassen oder wenn die Umstände nicht mehr ihren Vorstellungen entsprechen.

Jack Kornfield erzählte, wie er über Jahre mit Mönchen in Klöstern meditiert hatte in tiefstem Frieden und Ruhe. Er kommt wieder in die westliche Welt zurück und wartet eines Tages auf seine Frau, die sich gerade ihre Haare zurecht macht. Er gab preis, dass er da aus Ungeduld explodiert sei, da es ihm zu lange dauerte.

Authentische innere Erfahrungen sind beständig und umfassen alle Lebensbereiche.

 

In der inneren Überhebung lebt man in der Sphäre der Verehrung und viele Schüler und Adepten kreieren die Atmosphäre um diesen Lehrer herum, dass er effektiv glauben kann, ganz wichtig zu sein. Sie besorgen dem Lehrer auch seinen Lebensunterhalt. So verbleibt er in der Blase seiner Aussergewöhnlichkeit und braucht sich nicht mit der Welt auseinandersetzen. Der gewöhnliche Arbeits-Alltag würde einen helfen, wieder eine Person zu werden.

Diese spirituelle Überhebung ist ein perfektes Rezept für Selbst-Vermeidung und wirtschaftlichen Nutzen – aber sicher nicht dann, wenn man aufrichtig den inneren Weg begehen möchte.