Vaishnava-Ökumene

 

 

Manchmal erhalte ich Briefe von besorgten Vaishnavas, die nicht verstehen, warum ich mich so tief auf den Dialog mit anderen Religionen und spezifisch mit anderen Vaishnava Gruppen einlasse.

Sie fragen mich, ob mir als Gaudiya Vaishnava die befreiende Botschaft von Srila Prabhupada nicht mehr reichen würde. In diesen Anfragen steckt eine berechtigte Sorge: Wie viel Begegnung, Verständnis und Toleranz mit dem Fremden verträgt der Mensch psychisch und existentiell, ohne dass es ihn zerreisst und er um den Verlust der eigenen Identität fürchten muss?

 

Wenn sich Menschen und Gruppen verschiedener Kulturen und Religionen immer näher kommen und die kulturelle und religiöse Heimat nicht tief in einem wurzelt, wird das Festklammern an äusseren Symbolen, Regeln und Tradition fast notwendig. Deswegen ist die Angst um die Bedrohung der religiösen Gruppe durch die anderen ein Zeichen der eigenen Oberflächlichkeit.

Ich frage mich nur warum die Sorge um den Verlust der "spirituellen" Identifikation stärker gegen das Führen des Dialogs mit Gaudiya Vaishnava Gruppen richtet als gegen den Konsum westlicher Unterhaltungs - und Gewaltkultur (da hat ja die Iskcon nicht Probleme, die zu integrieren).

 

Im Gebet gebe ich diese schwierigen Anfragen bezüglich des innerreligiösen und interreligiösen Dialogs weiter und frage Sri Krishna selbst: "Hast du die Vielfalt der Religionen (und Vaishnavagruppen) gewollt oder war das ein Betriebsunfall in Deiner Schöpfung? Konntest oder wolltest Du die Entstehung verschiedener Religionen nicht verhindern? Und wenn es Dein Wunsch war, dass seit Jahrtausenden so viele Religionen, Weisheitslehren und Traditionen mit einem mehr oder weniger absoluten Wahrheitsanspruch auf dem kleinen Planeten Erde leben, dann hast Du Dir ja sicher viel dabei gedacht. Kann es sein, dass darin ein Ergänzungspotential versteckt liegt, das wir Menschen als Sadhakas erst so langsam entdecken müssen und dürfen? Und kann es sein, dass nur die Gesamtheit und das Zusammenspiel aller Religionen Abbild und Sinnbild Deiner Vielfalt, Grösse und Liebe sein können? Und kann es sein, dass ich mich innerlich darauf einstellen muss, dass ich mich auch nach dem Tod mit dem Dialog zwischen verschiedenen Kulturen zu befassen habe?

Dass ich auf diese Weise durch die Begegnung mit meinen so anderen Brüdern und Schwestern aufgebrochen werde von meinen eigenen begrenzten Vorstellungen? Du bist ja sicherlich immer wieder der ganz "Andere" (Nava-yauvanam)?

Tut es meiner Liebe zu Dir etwas ab, wenn ich alle Wesen umarmen lernen möchte? Du sagst es ja selber in der Gita: "Indem du allen Lebewesen gegenüber gleich wirst, erhältst du Teilnahme an mir". (BG 18.54) Soll ich hier lernen, alle deine Geschöpfe als meine Familie zu betrachten? Genau dies wird im engen Institutionalismus untergraben. Denn dort zählt mehr das Dazugehören, das Sich-Fügen zur Abgrenzung als das liebevolle Mitgefühl.

 

In der Gita forderst du mich auf, in allem das Verbindende zu betrachten und nicht das Trennende, was man ja im gleichen Mensch oder Objekt ebenfalls sehen könnte.

Ist es nun nicht absurd, dass man Glaubensbrüdern der eigenen Tradition dann plötzlich den Zugang zum Tempel verbietet, nur weil sie nicht ganz genau in derselben Gruppe sind?

 

Religion kennt keine Fremden, sondern nur Brüder und Schwestern.