Augenblick

Mein sind die Tage nicht, die mir die Zeit genommen,

Mein sind die Tage nicht, die etwa mögen kommen.

Der Augenblick ist mein, und nehm ich den in acht,

so ist der mein, der Zeit und Ewigkeit gemacht.

(F. Rückert – „Die Weisheit der Brahmanen“)

 

Diese Aufmerksamkeit im Augenblick schenkt einen neuen Zugang zur Welt.

Man war es sich gewöhnt, sich an etwas zu erfreuen, anstatt einfach darin zu schwimmen.

 

Es ist eine erfahrbare Nähe Gottes, in welcher alle Tränen abgewischt werden. Da zerfallen die lang gehegten Hoffnungen auf ein anderes Sein. Die stammen von einer nostalgischen Erinnerung an ein verlorenes Paradies.

 

Im reinen Nun können die verschiedenen Zeitdimensionen, in denen wir uns in Angst, Berechnung, Sorge und Erwartung bewegen, ihre bannende Kraft verlieren.

Die kleinen Hoffnungen auf einen besseren Zustand trivialisieren das Jetzt.

Das Sorgen, was wir essen, was wir tun sollen, was aus uns werden soll, (Matthäus 6,25 ff) ist Ausdruck der Nichtwahrnehmung von Gottes Umgebenheit.

 

Meditative Achtsamkeit verwandelt die profane Welt in Besonderheit. Man wird darin dem Zweckdenken enthoben, da es in der Tätigkeit nicht um Erledigung einer Aufgabe geht, sondern nur das Wunder des Lebens dankbar wahrzunehmen – während man all das verrichtet, was es im Aussen zu tun gibt. Man tut normalerweise so viele Dinge, ist aber unfähig, die Intensität des Lebens wahrzunehmen und das macht einen noch unruhiger, da man in allem, was man tut, das Gefühl hat, am Wesentlichen noch vorbei gelebt zu haben.

Diese Wachheit des Momentes lässt einen jeden Augenblick lebendig sein und nicht nur in einigen wenigen. „Das Wunder ist nicht, auf dem Wasser zu wandeln, sondern auf der Erde zu gehen“, lehrt Thich Nhat Hanh.

 

Diese Gegenwärtigkeit und Präsenz im Moment scheint ein Gegensatz zur Eschatologie zu sein, zur beständigen Frage: „und dann?“, zur Ausrichtung auf die letzten Dinge.

Eingleisigkeit funktioniert nie in einem komplexen Universum. Wenn diese tiefe Ausrichtung auf das Letztendliche, auf Gott die Basis ist, dann ist tatsächlich das ganze Leben ein Sein auf Gott hin und nicht ein „Sein zum Tode hin“ (Heidegger). Ohne den Bezug zur letztendlichen Wirklichkeit jenseits unserer momentanen Umgebung, bleibt das Gefühl, seine Zeit zu verschwenden, die Unruhe.


Wenn das Jetzt die Basis ist, merkt man, dass man augenblicklich enthoben von allen Bedürftigkeiten sein kann.

Die Eschatologie im Krieg sucht nur die Sicherheit. Das heisst, die Ausrichtung auf das Letztendliche im Zustand des Leidens, im Zustand der Unversöhntheit benützt und instrumentalisiert diese nur, um sich seiner Beschwerlichkeiten zu entledigen. Das wesentliche Fragen nach eschatologischen Werten bezieht sich nie auf das Praktische, nie aus einer Enthebung der Leidenssituation. Die Wahrheit steht nicht in Dienste der Bedürftigkeit.

Die Gegenwärtigkeit und Präsenz im Moment ohne Eschatologie ist flach und blind. (Himbeere essen und zufrieden sein).

Aber Eschatologie ohne Verankerung im Augenblick ist Flucht, Projektion infantiler Bedürftigkeit, die in einer kindlichen Jenseitsvorstellung endet.