moralische und transmoralische Spiritualität

Auf dem innersten Weg gibt es natürlich Anleitungen, mit den Gesetzen der Welt erst einmal in Harmonie zu treten. Das nennt man „frommes Leben“, ein „moralisches Leben.“ In der Yoga-Tradition kennt man dies als die Grundlage des yama und niyama. In sich hat dies nichts mit der Essenz von Religion zu tun und moderne Atheisten erklären zu Recht, dass Moral – Verhaltensanleitungen - und Harmonie mit der Welt gar nicht angewiesen ist auf die Werte der Religionen. Das rechte Handeln bedarf nicht unbedingt der Begründung in Gott. Man kann gutes Verhalten auch säkular ableiten. Das glaube ich auch. Der moralische Imperativ, den Kant formuliert hatte, ist effektiv eine menschliche Veranlagung, welche nicht auf Transzendenzerkenntnis angewiesen ist. Es ist die Führung des Gewissens.

 

Sadananda Swami schreibt in einem Brief (15.3.1954):

„So, wie wir sind, müssen wir Ihm dienen und zu Ihm kommen – Radha weiss, wer

wir sind, und wir sollten uns nicht so sehr um unsere Fehler grämen, sondern uns

sorgen, dass unser Wunsch, Ihr zu dienen, nicht brennend genug ist. Ein „besserer

Mensch“ zu werden ist weder ein Beweggrund noch ein Mass des Fortschritts.

Alles, was wir tun, wonach wir streben, im tiergleichen Leben wie in der tiefsten

Versenkung, ist von Motiven bestimmt; überall lauert eine versteckte Absicht. Die

hehrsten religiösen Ideale, die wir geneigt sind so sehr zu bewundern, sind von

Krishna’s Standpunkt her allesamt gottlos. Genau so, wie Er Selbst, so sind Radha

und wahre Liebe ohne Absicht und ohne Beweggrund. Und diese ursachlosabsichtslose Liebe allein vermag alles Wissen und alle Weisheit zu geben, die nötig sind. Es ist ein Irrtum zu meinen, dass wir ein neues System, eine neue

Philosophie, eine neue Theologie bräuchten – alles, was wir brauchen, ist der Mut

dieser absichtslosen Liebe zu vertrauen, die sich hinter einer – in der Tat – völlig

unbekannten Philosophie verbirgt – dem Westen wie dem Osten gleichermassen unbekannt.“

 

Durch den Frieden der vollständigen Weltversöhnung scheint eine transzendente Wirklichkeit durch. Dann darf man, wenn man will, dem transzendenten DU Gottes begegnen. Das ist dann nicht mehr frommes Leben, nicht mehr Kongruenz mit dem Gesetz Gottes, sondern die Harmonie mit dem Willen Gottes ("dein Wille geschehe"). Das nenne ich den transmoralischen Ansatz von Religion.

 

Moralisch

 

Trans-moralisch

-innerweltlich orientiert.

 

Religion wird als Kanal verstanden, Gott um gutes Gelingen des Lebens in der Welt zu bitten (Gesundheit, gutes menschliches Miteinander, Integration der Triebkräfte auf Gott hin)

Man möchte den Beistand Gottes, da man glaubt, das wirkliche Leben sei das hiesige.

 

 

- der praktische Ausdruck spiritueller Übung besteht aus: äusseren Übungen guter Werke, und inneren Eigenschaften wie Demut, Stillheit, Sanftheit, Mitgefühl mit den Mitwesen etc. Der Fokus ist auf Charakterbildung gerichtet, der Befähigung zum ethischen Leben.

10 Gebote der Bibel und das yama und niyama im Yoga

 

-Ich-Werdung

 

 

-Religion wird gemessen an der Entwicklung guter Eigenschaften (Mitgefühl, Freundlichkeit, Umgang mit der Schöpfung)

 

 

-Religion bringt Linderung im persönlichen Leid, existenzieller Angst, existenziellem Alleinsein, Vergänglichkeit und Tod

Im Ausüben der Religion glaubt man, dass sich die Schwierigkeiten, die man in dieser Welt erfährt, lindern.

 

 

 

 

 

-Erfolg wird als die Kongruenz mit moralischem Verhalten verstanden.

 

 

 

Was ist das wichtigste Gesetz?

 

Wer Gutes tut, wird gut. Liebe Deinen Nächsten.

Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem anderen zu.

 

 

Vater und Mutter ehren, Barmherzigkeit und Gerechtigkeit üben

- transzendentale Orientierung.

 

Religion will über die zeitbegrenzte irdische Ordnung hinaus verweisen.

Man will Gott nicht auf die eigene Welt hinbeziehen, sondern sich selbst auf die Welt Gottes und versteht die Welt als Transitraum, um die Mentalität der ewigen Welt zu erlernen.

 

 

-der praktische Ausdruck spiritueller Übung besteht aus dem Gedenken an nama (den heiligen Namen), rupa (Versenkung in die ewige Gestalt), guna (innere Betrachtung der transzendentalen Eigenschaften Gottes) und lila (dem Hören und wertschätzungsvoller Absorption in den Austausch der Liebe, die Krishna mit den befreiten Seelen in der spirituellen Welt geniesst).

 

-Selbstwerdung

 

 

-Religion wird gemessen an Mass des brennenden Wunsches nach Gott und in der Fähigkeit zur Absorption in Gott.

 

 

-Religion ist der Transzendenzbezug, die Hinwendung zu Gott unabhängig von der innerweltlichen Erfahrung.

Im Ausüben der Religion erwartet man keinerlei Linderung der innerweltlichen Beschwernisse. Das Leid wird nicht verstanden als Erfahrungen, die mit der eigenen Vorstellung nicht kongruent sind, sondern als die Gleichgültigkeit zu Gott.

 

 

-Erfolg wird als die Vergrösserung der inhärent in der Seele schlafenden Gottesliebe verstanden.

 

 

Was ist das wichtigste Gesetz?

 

Erinnerung an Radha-Krishnas Namen, Gestalt, Eigenschaften und Lila.

Sich immer an Sie erinnern und Sie nie vergessen.

Sich nunterbrochen und ohne eigenes Motiv in Ihrem Dienst zu beschäftigen.

 

 

 

 

 

 

 

Wichtiger als der Glaube und Nichtglaube ist, wie ich mit meiner Einstellung die existenziellen Fragestellungen und Erfahrungen bewältigen kann: Auseinandersetzung mit persönlichem Leid, existenzieller Angst, existenziellem Alleinsein, Vergänglichkeit, Tod, Mitgefühl mit allen Wesen. Wesentlicher als proklamierte Zugehörigkeit oder Nicht-Zugehörigkeit zu irgendwelchen Gruppen, ist die Grundhaltung, die Auseinandersetzung mit fundamentaler Wahrheit.  

 

Ludwig Wittgenstein schreibt im „Tractus logico-philosophicus“:

„Wir fühlen, dass selbst wenn alle möglichen wissenschaftlichen Fragen beantwortet sind und alle Lebensthemen gelöst, unsere wirkliche Frage noch gar nicht berührt ist.“

Man muss die Gottesfrage aus der Banalität des Praktischen herausheben. Es ist das, was mich als Seele „unbedingt angeht“. Selbst nach der Versöhnung mit allen Spannungen und nach der perfekten Integration allen rechtschaffenen Handelns, beginnt die eigentliche eschatologische Frage: „Was ist die ewige Bestimmung der Seele, auch nachdem sie frei ist von aller Körper-Identifikation. Hier beginnt Trans-moralische Spiritualität

 

Der moralische Aspekt besteht im Verändern von Verhaltensmustern, die einem geprägt hatten:

Ein verschlossener Mensch öffnet sich. Der Gehemmte fängt an, sich zu äussern, der Verdriessliche zu danken. Dem Distanzierten gelingt es, sich hinzugeben. Der Unzufriedene sieht, wie beschenkt er eigentlich ist. Der Vieldeutige gewinnt ein klares Gesicht. Der "alles recht gemacht" hat, wird ehrlich.

Der sich festklammert an Positionen oder Dingen, darf loslassen, merkend, dass nichts verloren geht.

Der immerfort über die schlimme Welt klagt, findet zum Erbarmen mit Mitwesen. Der Durchsetzungstyp findet Wege zum Frieden. Der Könner wird zum Liebenden. Der Moralist lernt Freundlichkeit. Derjenige, welcher ständig alles selbst machen will, lässt geschehen, was ohne ihn geschehen soll und darf.

Der transmoralische Aspekt des inneren Weges besteht aus einem stillen Erwachsen von Sehnsucht zu Gott, von Liebe zu Radha Krishna, speziell in der Gemeinschaft von erwachten Geweihten Gottes.

Der moralische Aspekt mag anfänglich nicht einmal integriert sein. Der transmoralische Aspekt ist nicht davon abhängig.

 

Es war nicht ein expliziter Wunsch nach Verstrickung, sondern eher ein „Sich-Verlaufen im Gestrüpp des Lebens, was die Wucht der angewohnter Konditionierung erschuf. Deshalb bedarf der innere Weg auch nicht primär Anleitungen für das Leben im Gestrüpp (moralische Religion), sondern Orientierung und Herausführung (transmoralische Religion).

 

Die Auseinandersetzung mit „Lila“ ist das Herz-Stück des transmoralischen Ansatzes.