Raum im Innern


Der Alltag gibt sicher berechtigt zu vielen Klagen Anlass. Die Welt im Aussen gibt einem unbegrenzt Gründe zum Anstossen, Krankheiten, Störungen im Geist. Aber wir sind doch mehr als nur Konfliktlöser, Kämpfer um Lösungen und Bemüher für Zustände, die mit unseren Vorstellungen kongruent sind.

Wir haben in uns einen Raum, zu dem die alltäglichen Probleme, unsere Aufwühlungen am unvermeidlichen Geschehen in dieser Welt, keinen Zutritt haben, der unberührt ist von den Freuden und Leiden an der Oberfläche, in welchen wir jederzeit eingeladen sind zu verweilen.

Es ist der Raum der Begegnung mit Sri Krishna. Darin sind wir jemand anderes, nicht mehr derjenige, der sich von der Welt her definiert. In der Vergegenwärtigung von Gottes Gegenüber bin "Ich" aber nicht mehr in dem unbestimmten Sinne des täglichen Lebens - als jenes verworrene Etwas, das zu Hause am Tisch sitzt und durch die Strassen der Stadt geht und im Büro seine Arbeit tut, sondern wirklich Ich. Jener, als der ich für mein Dasein verantwortlich bin, der nicht unabhängig IST, sondern sich nur in Beziehung zu Krishna erkennt und überhaupt erst erwacht in dem Bezug zu Krishna.

 

Seine Gegenwart ist da direkt wahrnehmbar, wenn wir das „äussere Hören einstellen“ (SB 12.6.37). Das bedeutet, nicht mehr nur durch die Sinne zu leben, sondern aufzuwachen zur Wahrnehmung, eine Seele zu sein.

Dieser Begegnungsraum, der Resonanzraum (Hridi-akash, SB 12.6.37) für sämtliche spirituellen Erfahrungen (den leider auch die meisten Spiritualisten durch ihr Gefühl, „geschäftig sein zu müssen“ zuschütten und somit ihre effektiven Öffnungserfahrungen in einer Konzeptspiritualität zu wahren versuchen) entsteht, wenn der Geist vollkommen im Gleichmut verankert ist.

 

In der Stille dieses Raumes (Stille kommt von „stehen bleiben – also dem Ruhen, dem Verweilen darin) befreit uns Krishna von der Macht der Menschen (der Fremdbestimmung durch andere) und der Macht des eigenen Über-Ichs, das nur seine Ideale durchgesetzt haben möchte - und das als transzendente Erfahrung deutet -  und das uns ständig überschüttet mit Selbstvorwürfen und Selbstbeschuldigungen. 

In diesem Raum machen wir die Erfahrung, Fehler zu haben, aber nicht Fehler zu sein, Schuld zu haben, aber nicht Schuld zu sein. In diesem Raum wird all das, was uns belastet, relativiert und der vermeintliche Druck auf uns entaktiviert. 

In diesem Raum geschieht auch die Versöhnung mit unserer bedingten Natur. Darin darf man ja sagen zu allem, was noch in einem steckt, eine völlige Annahme auch der eigenen Schatten tätigen (nicht gleichzusetzen mit Gutheissung!), da man sich niemandem zu beweisen hat und einem DU gegenüber steht, das diese Seite von einem ja bereits kennt. Das hat zur Folge, dass dieser Raum frei ist von Wut und Angst, da man seine Schwächen nicht bekämpfen und besiegen muss, keine Gewalt anzuwenden braucht. 

Man erfährt die Gewissheit, dass in diesem Raum nichts über einem Macht hat, einen nicht zu verdecken vermag und einem nicht zu bestimmen hat. Weil man dort bereits heil und ganz ist, darf man ganz sanft mit einem umgehen.

Es gibt niemals einen Zeitpunkt, wo wir  in der innersten Wirklichkeit – jemals nicht erlöst und frei waren. Die Aufgabe des Menschen ist es, sich dessen bewusst zu werden und wieder in den Zustand eintreten, in welchem wir niemals nicht erlöst waren. Das geschieht in diesem inneren Raum.