Der Weg des Verlustes

Der Weg in die Tiefen des eigenen Widerstandes, in die Befürchtungen hinein, erfordert die Bereitschaft, zu verlieren, was man bereits glaubt, gewonnen zu haben. Viele Menschen, die begonnen haben, einen inneren Weg zu gehen, glauben immer noch, dass dieser Weg ein Weg ist, auf dem wir unsere innere Trophäensammlung erweitern können. Auf dem wir überhaupt irgend etwas dazugewinnen könnten, was wir noch nicht haben – Freiheit, Glück, Frieden, Stille. 

Es ist das Gegenteil: Es gilt alles zu verlieren.

Alles aufzugeben ohne einen Gegenwert? Dies ist schwer zu verstehen für den Geist. Denn der Verlust ist mit dem Schmerz des Abschiedes behaftet, mit dem Schmerz des Verlierens, und des Verlorenseins, des Verlustes der Identität, die ja gerade aus diesen Dingen geworden ist und an der wir festhalten und uns orientieren. Wir haben kein positives Verhältnis zum Moment des Verlustes. Wir haben den Wert dieses Momentes nie zu schätzen und lieben gelernt. 

So muss dieser Moment neu erkundet werden. Er bringt nichts als Entlastung mit sich. 

Wir sind wie Bettler, die an ihrem letzten Hemd festhalten, in Wirklichkeit aber in einem Königreich der Fülle stehen, das wir nicht erkennen können, weil wir so beschäftigt sind, um unser letztes Hemd zu kämpfen.

Erkenntisweg ist immer ein Weg des bewussten und ganz akzeptierten Verlierens. Ein Weg des Aufgebens und Nichts-dafür-Bekommens, kein Geld, kein Liebespartner, keine Macht und Anerkennung oder Ruhm. 

Und man bekommt etwas, was nicht mehr in Worte zu fassen ist – Svarupa-jnana, die ewige Form der Seele beginnt durchzuscheinen. 

Die Frage „wer wir sind“ ist die Antriebsfrage jeglicher menschlicher Suche; dieser Frage Raum zu geben ist der Zweck der Inkarnation in meinem menschlichen Körper. Denn was macht alles für einen Sinn, wenn man nicht weiss, wer man ist und wohin man eigentlich gehört.

 

 

Es ist eine Perspektive, die nicht eingenommen werden kann, solange ein Ich versucht, sie einzunehmen. Sondern nur im Tod des Ichs erfahrbar ist. Die Bereitschaft, alles zu verlieren ist nichts Äusserliches. Das wäre eine Verharmlosung. Kinder aufzugeben, Partner, Wohnort, sämtlichen Besitz, den Beruf und alle Sicherheiten – das ist noch nicht einmal der Vorhof von dem inneren Verlust, um den es wesentlich geht. Es ist der Verlust all dessen, was man als Ich kennt und als Ich angenommen hat. Das ist die alte Welt, die Menschen nicht bereit zu verlassen sind, weil sie den alten Lehrern der Angst und der Ungewissheit folgen – die Angst vor der unendlichen Leere, wenn dieses Ich nicht mehr ist.