Jnana-Yoga

Sri Krishna erklärt Jnana-Yoga – das 28. Kapitel des 11. Canto des Srimad Bhagavatam

 

Die Höchste Persönlichkeit Gottes spricht: Man sollte die bedingte Seite und Tätigkeiten von anderen Personen weder loben noch kritisieren.

Vielmehr sollte man diese Welt einfach nur als eine Kombination von der materiellen Natur und Seelen betrachten, welche die Prakriti geniessen wollen und einen persönlichen Anspruch auf diesen Schatten projezieren. All dies spielt sich ab basierend auf der einen absoluten Wahrheit. (11.28.1)

Wer sich eingibt, die von der materiellen Natur angenommenen Eigenschaften und Verhaltenmuster zu loben oder kritisieren (oder überhaupt nur zu kommentieren), wird sehr schnell von seinem eigenen Selbstinteresse abweichen aufgrund seiner Involvierung in illusorische Dualität. (11.28.2)

Krishna sagt hier „asat-abhinivesa“, was bedeutet „die Absorbation ins Nichtige, ins Irreale.“

 

 

So wie eine verkörperte Seele das äussere Bewusstsein verliert, wenn ihre Sinne überwältigt werden von der Illusion des Träumens oder des todähnlichen Tiefschlafes, so wird die Seele, die sich von den Dualitäten der materiellen Welt her definiert und auf sie reagiert, von sich selber entfernt und erleidet die Illusion, vergänglich zu sein. (11.28.3)

 

Das, was ausdrückbar ist durch materielle Worte und was meditiert wird vom materiellen Geist ist nie die letztliche Wahrheit. 

Was ist eigentlich gut oder schlecht in dieser unsubstanziellen Welt der Dualität, und wie sollte man das Ausmass von gut und schlecht ermessen? (11.28.4)

 

Obwohl Schatten, Echo und Luftspiegelungen nur illusorische Reflektionen von etwas Wirklichem sind, so kreieren sie dennoch einen Schein einer vermeintlichen Wirklichkeit. 

Auf gleiche Weise ist die Identifizierung der ewigen Seele mit einem materiellen Körper, Gedanken und Ich-Gefühl, das sich in Beziehung zur äusseren Umgebung betrachtet, falsch, und und generiert dennoch Ängste in ihr, bis hin zum Todesmoment. (11.28.5)

 

Jemand der, den Vorgang erkennt, theoretisch und praktisch die Dualität zu durchblicken, wird fixiert auf der Ebene ewigen Wissens und beschäftigt sich nicht mehr in Kritisieren noch Loben (das Urteilen, Abwägen und Bewerten allgemein) innerhalb der Zeitweiligkeit. Der Sonne gleich wandert er frei durch die Welt (durch die Umstände) hindurch. (11.28.8)

 

Anhand direkter Beobachtung, logischen Schlussfolgerungen, Schriftlichen Quellen (Offenbarungstexten) und auch persönlicher Erfahrung sollte man erkennen, das alles in dieser Welt einen Anfang und ein Ende hat und sie somit nicht die letztliche Realität darstellt. (Sein eigenes ewiges Selbst nicht berührend). Als Folge dessen lebt man losgelöst, jeder Verhaftung bereits jetzt freiwillig entbunden, in dieser Welt. (11.28.9)

 

Sri Krishna betont hier die Wichtigkeit persönlicher Erfahrung, die die ersten drei pramanas (Möglichkeiten, zu Erkenntnis und Wissen zu gelangen) unterstützen und bestätigen soll. Erst dann wird das Vertrauen unumstösslich.

Srila Jiva Goswami erklärt hier zwei Katergorien materieller Dualität. In der ersten sieht man Schönes und Abstossendes, Gutes und Schlechtes, arm und reich etc. Die zweite Kategorie von Wahrnehmung der Dualität, die noch stärker bindender ist als die erste und die eigentlich die Quelle der ersten ist, ist die Wahrnehmung, dass man irgendetwas in der Welt als separat oder unabhängig von der Höchsten Persönlichkeit Gottes betrachtet.

Die erste Katergorie ist harmlos, da sie sich ständig durch den Einfluss der Zeit auflöst und relativiert. Die zweite Kategorie, die Sichtweise, etwas aus völliger Illuson heraus als getrennt von Krishna zu betrachten, die die Ursache unserer Bedingtheit in Samsara ist, bleibt selbst bei der Auflösung aller Universen noch bestehen und wirft die Seele in der nächsten Schöpfung in die gleiche karmische Situatuation, in der sie in der letzten Schöpfung bereits war.

 

Uddhava fragt: Mein lieber Herr, diese materielle Existenz kann nicht die Erfahrung der Seele sein, die der Erleber davon ist, der Seher, und auch nicht für den Körper, der nur das gesehene Objekt ist. Die Seele ist mit perfektem Wissen ausgestattet und der materielle Körper auf der anderen Seite ist nicht eine bewusste Entität. Wer erfährt nun also materielles Dasein?

Wie geschieht die Erfahrung von einer getrennten materiellen Existenz? 

 

Sri Krishna antwortet? So lange die Seele in ihrer Verwirrtheit verhaftet bleibt zum materiellen Körper und seinen Ausdrucksmöglichkeiten (Erlebnisfelder), sowie dem emotionalen Erleben (dem feinstofflichen Körper), spriessen die Samen ihrer Tätigkeiten in neuen Situationen (phala-van – sie ist dann Träger der Früchte), obwohl diese Erfahrung eigentlich überflüssig ist (aparthah) und nur möglich für den avivekinah, für denjenigen, der ohne jegliches Unterscheidungsvermögen ist. (11.28.12)

Sri Krishna braucht in diesem Vers das Wort sannikarsanam, was bedeutet „ein freiwilliges Angezogensein, aufgrund Hoffnungen, die in diese Arrangierung hineinprojeziert werden.

Wenn diese Hoffnungen, die Ursehnsucht wieder auf Sri Krishna gerichtet wird, was in der Gemeinschaft von Heiligen geschieht, wird die ganze Arrangierung in dieser Welt zu einem Instrument für einen höheren Zweck. 

 

Von seinem Wesen her ist das Lebewesen völlig transzendent zu allen Erfahrungen und Erlebnissen in dieser Welt. Doch aufgrund seiner Neigung, die zu einer gewohnheitsmässigen Mentalität geworden ist, die Schöpfung zu manipulieren, Herr über sie sein zu wollen, wird sein bedingtes und reduziertes Leben nicht auslaufen, und wie in einem Traum ist es berührt von allen möglichen Unannehmlichkeiten. (11.28.13)

Dieser Vers beschreit die Essenz der Illusion.

 

Eine träumende Person erlebt viele unerwünschte Dinge, doch nach seinem Erwachen wird er nicht weiter verwirrt sein von den konfusen Erfahrungen während des Traumes. (11.28.14)

 

Selbst eine befreite Seele spürt die angenehmen und leidvollen Bedingunungen, aber sie regiert nicht auf diese, so wie jemand im Wachzustand nicht sein im Traum gewonnenes Geld abheben geht oder den Tiger des Alptraumes zu bekämpfen glaubt. So ist die befreite Seele nicht beeinflusst vom Traum, da sie sich in ihrem Wachsein erkannt hat.

 

Lamentation, Freude, Angst, Ärger, Gier, Verwirrung, und Begierden, sowie auch Geburt und Tod sind Erfahrungen der fiktiven Identität, die die Seele annimmt in ihrer Abwendung von Wirklichkeit (dem Vermögen der Hüllen, sich als Einheit zu verstehen – das falsche Ego), und niemals der reinen Seele. (11.28.15)

Ahankara ist die Fähigkeit, die Krishna der Seele zugesteht, dass sie sich mit etwas anderem, ihr eigentlich Wesensfremdem, identifizieren kann und dann auch die Modifikationen dieser Elemente wie als ihre eigenen erfährt. Sie ist von ihrem Wesen her ewig, aber in der Identifikation mit Zeitweiligem wird die Urerinnerung an ihren Wesenskern nicht ausgelöscht und deshalb kann sie sich dennoch nicht abfinden, vergänglich zu sein – was sich zum Beispiel in ihrer Angst manifestiert.

 

Aufgrund dieser Fehlidentifizierung lebt sie verhüllt und modifiziert ständig die Formen dieser Bedeckungen gemäss den verschiedenen Bewusstseinszuständen und Tätigkeiten (samsara) Die bedingte Seele bezeichnet sich in diesem Zustand in Beziehung zur Gesamtheit der materiellen Energie und wird unter der strikten Kontrolle der Zeit gezwungen, hier und dort hin zu wandern. (11.28.16)

 

Diese Ersatzidentität an der Oberfläche (falsches Ego) hat eigentlich keine Grundlage, aber sie wird in verschiedenen Erscheinungsformen wahrgenommen (bahu rupam bedeutet, dass sich dieses falsche Ego manifestiert im Glauben, ein Halbgott zu sein, ein bedeutender Mensch, ein Insekt uns so weiter)

Mit dem Schwert transzendentalem Wissens, das geschärft ist durch die Verehrung von Heiligen, kann ein bsonnener Mensch diese Fehlidentifizierung ablegen und selbst in dieser Welt gänzlich frei leben. (11.28.17)

 

Wirkliches spirituelles Wissen fundiert auf der Unterscheidung zwischen Ewigem und Zeitweiligem und es wird genährt, kultiviert, und erweckt durch das Studium von Offenbarungsliteratur, derHaltung der Loslösung und Distanz, welche Klarheit schafft, direkter Beobachtung (eigener Verwirklichung), das Hören der Puranas, der Geschichte von den wichtigen Ereignissen im Universum (das sind nicht die Chronologie von Verbrechen, wie im Kali-yuga Historie verstanden wird, sondern das Erscheinen und Einwirken Gottes in diese Welt hinein) sowie logischen Schlussfolgerungen aufgrund genauer Analysen.

(11.28.18)

Dieser Vers beschreibt die Epistemologie des Krishnabewusstseins.

 

Der materielle Verstand manifestiert sich in drei Phasen von Bewusstsein –Tiefschlaf, Traum und das, was man in der Umgangssprache mit Wachheit bezeichnet. Diese drei Zustände sind alle noch entfernt von seinem Wesen; sie sind Produkt der Erscheinungsweisen der materiellen Natur. 

Der Verstand erscheint weiterhin in drei verschiedenen Rollen – als karana, das heisst als subtile Ursache, also als Wahrnehmer, - als karya, das heisst als grobstoffliches Produkt, also als das Wahrgenommene, und als karta, der Produzierende, der Regulator einer Wahrnehmung. 

Aber der vierte Bewusstseinszustand, der vollkommen losgelöst von den drei materiellen Bewusstseinszuständen existiert, wird erst als Realität, als Absolute Wahrheit betrachtet. (11.28.20)

 

Das, was in der Vergangenheit nicht existierte und in der Zukunft nicht weiterexistieren wird, hat auch in der Gegenwart, keinen Bestand (ist nicht wirklich). Das, was von etwas geschaffen ist und erst offenbart und verstanden wird durch etwas anderes, ist nach meiner Ansicht (und das sagt Sri Krishna selber!) nichts anderes als dieses andere selber. (11.28.21)

 

Sri Krishna erklärt hier, dass die Vergänglichkeit erst wahrgenommen wird, wenn man sich von dem Standpunkt der Ewigkeit berühren lässt. Diese Welt ist eine Schöpfung von ihm und ihr Sinngehalt wird von ihm offenbart. Deshalb ist selbst diese Welt nicht verschieden von ihm. (siehe BG 9.4)

Diesen Wahheitsschein hat diese materielle Manifestation von konstanten Transformationen da sie emaniert von der selbstleuchtenden Absoluten Wahrheit. (11.28.22)

 

Der physische Körper, der aus festen Stoffen gemacht ist, ist nicht unser wirkliches Selbst. Und ebenso haben die Sinne, die ihnen vorherrschenden Halbgötter, die feinen Lebenslüfte, noch sind alle Gemütsregungen, Emotionen oder Aufwühlungen etwas gemein mit dem Wahrnehmungsvermögen der Seele. All dies ist einfach nur Materie. 

Ebensowenig berührt die Intelligenz, materielles Bewusstsein, Ego, und nicht nicht einmal die Gesamtsumme der Materie die eigentliche Identität der Seele. (11.28.24) 

 

Für eine Seele, die meine persönliche Identität als Sri Krishna realisiert, und in mir verankert ist, ist es keine Errungenschaft, wenn dessen Sinne, die Produkte der materiellen Natur sind, und deren Kontrollanspruch die Seele ja aufgegeben hat, perfekt konzentriert sind in Meditation? Und auf der anderen Seite, wie kann man eine solche Seele verurteilen, wenn die Sinne agitiert werden? Was bedeutet es der Sonne, wenn Wolken kommen und gehen? (11.28.25)

 

Es scheint, dass auch eine verwirklichte Seele manchmal agitiert werden kann.

 

 

Durch entschlossene Hingabe zu mir ist der Spiritualist frei von der Gemeinschaft mit den Grundkräften der materiellen Natur. Manchmal mag aber der Fortschritt der übenden Spiritualisten aufgehalten werden durch Anhaftung an Familienmitglieder, Schüler (oder Menschen, die einem ehren) oder sogar Gegenstände und Besitz, die von neidischen Halbgöttern zu diesem Zweck arrangiert werden. (Weil sie ihre Position fürchten, denn durch Bhakti können alle Destinationen im Universum erlangt werden.) (11.28.25 und 27)

 

Nun spricht Krishna von der Verankerung im eigenen Selbst:

 

Der Weise, dessen Bewusstsein im eigenen Selbst fixiert ist, beachtet nicht einmal die Abläufe des eigenen Körpers (er weiss nicht, ob er hungrig ist oder nicht, ob sein Körper gesund oder krank ist, und ist auch nicht beeinträchtigt vom Tod). Während sein Körper steht, sitzt, geht, sich hinlegt, Wasser lässt, isst, oder irgend etwas anderes tut, versteht er immer, dass er selbst darüber steht. (11.28.31)

Das ist der Anspruch von Selbstverwirklichung: ein konstanter Zustand, der alle Alltagssituationen durchdringt. Die Realisation eine ewige Seele zu sein ist nun ein Erleben von Moment zu Moment, ohne irgend einen Unterbruch.

 

Wenn am morgen die Sonne aufgeht, wird die Dunkelheit vertrieben, und das Licht erlaubt den Augen zu sehen. Das Aufgehen der Sonne kreiert jedoch nicht die Objekte, die nun sichtbar werden, denn sie waren auch in der Dunkelheit latent gegenwärtig. 

Die kraftvolle und effektive Verwirklichung meiner Selbst zerstört die Dunkelheit, die das wirkliche Bewusstsein der Seele bedeckte, das aber latent gegenwärtig war auch in der unendlich langen Zeit der Indifferenz gegenüber der Wirklichkeit. 

(11.28.34)