Offener Brief

an denkende Menschen

 

„Man tötet schliesslich Tiere ja auch, um sie zu essen, weshalb also nicht, um uns zu pflegen?“ M. D’Alayer, Direktorin des Vivisektionszentrums Lyon.

 

Frau D’Alayer hat Recht. Solange nur „menschliches“ Leben lebenswert ist, nur „menschliches“ Leid bemitleidenswert ist und das Tierschlachten nur mit dem sekundenlangen „Genuss“ ihres Verschlingens gerechtfertigt wird, ist es nur natürlich, dass Tiere – lebendige und fühlende Wesen – als Labormaterial missbraucht werden.

Beim Recht auf Glaubensfreiheit kann sinnvollerweise gesagt werden, dass es sich hier um ein spezifisch menschliches Recht handelt – weil nur Menschen religiöse Gefühle haben. Von anderen Rechten, z.B. dem Recht, nicht gefoltert zu werden, kann dies aber vernünftigerweise nicht gesagt werden, denn wenn Kühe, Schweine oder Affen gefoltert werden, leiden sie auch.

 

Natürlich gibt es zwischen diesen Tieren und dem Menschen bedeutsame Unterschiede, aber sind diese relevant, wenn es um Qual und Schmerz geht? 

Ein Mensch kann Mathematik studieren, Tiere nicht . Aber beide haben dasselbe Interesse, nicht leiden zu wollen.

Ein Mensch hat ein Interesse, nicht gefoltert zu werden, weil er die Fähigkeit hat, Schmerzen zu empfinden, und nicht, weil er die Fähigkeit hat, Mathematik oder dergleichen zu betreiben.

Aber Tiere haben dieses Schmerzempfinden auch – und zu ihrem eigenen Unglück noch in grossem Ausmass, und deshalb haben sie dasselbe grundlegende Interesse wie Menschen, nicht gefoltert zu werden. Dieses Recht kommt allen leidensfähigen Wesen zu und ist in keinerlei Weise ein spezifisch menschliches Recht.

Tiere zu töten (oder wie es die meisten heutigen Mitmenschen tun: durch ihren Fleischkonsum das Töten zu veranlassen - was ethisch und juristisch gesehen das gleiche Verbrechen darstellt) und deren verwesende Leichname die Speiseröhre hinabzudrücken ist eine markante Zuwiderhandlung gegen dieses Recht.

 

Gegen die Vivisektion zu sein ist einfach – verpflichtet zu nichts. Es ist wie gegen Kriege, Terror und Erdbeben zu sein.

Konsequente Tierliebe, eine Liebe zur Mitgeschöpflichkeit, nämlich diese Tiere auch nicht zu verspeisen, benötigt ein Engagement, eine Anstrengung, denn damit bin ich täglich konfrontiert – speziell in einer Gesellschaft, deren Essgewohnheiten noch in der Völkerwanderungszeit hängen geblieben sind. Es bedeutet nämlich, täglich „nein“ zu Fleischangeboten, die als Nahrungsmittel getarnt werden zu sagen und dazu zu stehen.

 

Es scheint immer mehr bewiesen zu sein, dass Experimente an lebenden Tieren völlig sinn- und zwecklos sind. Das trifft sich gut. Da fällt es einem noch viel leichter, sich dagegen zu engagieren.

Und wenn sie jetzt einen gewissen Wert hätten, könnte man sie dann akzeptieren? Wäre ich dann dafür? Wende ich mich nur gegen die Barbarei, wenn sie sinnlos ist und mir nichts einbringt?

 

Viele sind entrüstet, dass Tiere als Labormaterial gebraucht werden – aber wieso entrüsten sich so wenige, dass man Tiere millionenfach mehr als Küchenmaterial missbraucht?

 

Fleisch zu essen ist nicht meine persönliche Angelegenheit, ist nicht Privatleben. Es betrifft doch zumindest das Tier, das um meinetwillen gezüchtet und getötet wird – und das alles nur für den kleinen Moment des Wohlgefühls, wenn sein zerstückelter Körper über meine Zunge rinnt...

„Jeder isst, was er will, jeder viviseziert, wie er gerade will, jeder tötet, was er gerade will....“ Dies ist die Mentalität von Unzivilisierten.

 

Und schliesslich appelliert die Fleischindustrie: „Wir haben die Freiheit, selber zu entscheiden. Bewahren wir sie uns.“

Moral wird hier plötzlich als Privatsache proklamiert. Was werden uns diese Mörder für Lust und Luxus als nächstes ans Herz legen? Vielleicht: „Wenn du gerade Lust hast, jemanden umzubringen, entscheide dich selbst. Bewahre dir diese Freiheit.“

Meine Freiheit geht nur soweit, wie es nur mich betrifft. In diesem Sinne überschreitet das Fleischessen meinen Kompetenzbereich.

„Um eine Gemeinschaft freier Wesen zu ermöglichen, ist die Festlegung von Recht notwendig, wodurch die Freiheit des Einzelnen eingeschränkt wird.“ (Johann Fichte, „Wissenschaftslehre“)

 

„Wir haben doch noch wichtigere Probleme als uns mit Tierrechten auseinanderzusetzen! Solange es auf der Welt so viel menschliches Leid gibt, ist es gerade unverantwortlich, unsere Energie mit Fragen von der Ungerechtigkeit der Tiere zu verschwenden.“

Eine absolute Prioritätensetzung, wonach nachgeordnete Werte erst nach der vollen Verwirklichung der übergeordneten Werte angestrebt werden dürfen, ist unsinnig, unmenschlich und unmoralisch. Entsprechend einer solchen absoluten Prioritätensetzung wäre es nicht nur unmoralisch, sondern sogar kriminell, irgend etwas für Tiere zu tun, solange es noch irgendwo einen leidenden Menschen gibt; folgerichtig dürfte sich auch der Arzt nur noch um Schwerkranke, der Lehrer nur noch um Sorgenkinder, und die Justiz sich nur noch um Kapitalverbrechen kümmern. Zweitwichtigstes solange zu unterlassen, bis alles Wichtigste sich erledigt hat, wäre das Ende aller Kultur.

Es geht im Leben doch nicht um abstrakte Prioritäten, sondern vor allem darum, an den Orten zu helfen und einzugreifen, an denen wir Unrecht und Leiden konkret begegnen. Wie eigenartig wäre das Verhalten, wenn wir zu einem Unfall kämen und dem Verletzten die Hilfe mit der Begründung versagten: „Anderswo gibt es noch viel leidendere Personen und grösseres Leid.“ Mit der Ungerechtigkeit in Bezug auf Tiere werden wir aber jeden Tag konfrontiert: Jedes Mal, wenn wir Fleisch essen, unterstützen wir damit den grausamen und sinnlosen täglichen Massenmord an unschuldigen Tieren.

Dir mag das Fleischessen teuer erscheinen – einer anderen Existenz kommt es ungemein teurer zu stehen – dem Tier.

 

Fleischesser  sind entrüstet, dass man in Korea Katzen isst. Wieso sollten Kühe, Ochsen und Schweine essbarer sein als Katzen?

 

„Sie haben soeben zu Mittag gegessen; und wie sorgfältig auch immer das Schlachthaus in einer taktvollen Entfernung von einigen oder mehreren Kilometern verborgen sein mag: sie sind mitschuldig.“

Ralph Waldo Emerson

Der jüdische Nobelpreisträger Isaac Bashevis Singer schreibt zu Recht: „Wo es um die Tiere geht, wird jeder zum Nazi... Für die Tiere ist jeder Tag Treblinka.“

 

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