Drei Kriterien der Unterscheidung zwischen religiösen Traditionen

 

 

 

In unserer modernen Welt haben die religiösen ‚Wahrheiten‘ inzwischen Bescheidenheit und Kränkung ertragen gelernt, dass sie auf offenem Markte als bloße ‚Meinungen‘ oder ‚Gesinnungen‘ gehandelt werden. Eine päpstliche Enzyklika konkurriert mit den Do-it-yourself-Lebenshilfen und die Bibel mit esoterischen Schriften. Wir leben in einem Zeitalter eines säkularisierten Polytheismus. In der pluralistischen Gesellschaft gibt es unzählige Gottesvorstellungen, viele Wertorientierungen, eine Vielzahl von religiösen und halb-religiösen Sinnbestimmungen  - alle nebeneinander. Der eine Gott, der einst den geistigen Zusammenhang der abendländischen Gesellschaft verbürgte, ist zersprungen in die vielen kleinen Hausgötter. Religion wurde privatisiert. Die großen Kirchen leeren sich, aber das Angebot für den religiösen Hobbykeller wächst.

 

Das verwirrt viele Menschen und diese Pluralität von verschiedensten Wegen, die sich zudem noch als die „besten“ und manchmal sogar „einzigen“ proklamieren, schafft eine solch zerrissene Situation, dass viele Menschen der religiösen Gleichgültigkeit den Vorzug geben.

Was sind nun die Orientierungspunkte in diesem Ekklektrizismus, wo letztlich jeder einfach seine eigene Religion zusammenbastelt?

Der Anfang eines inneren Weges ist Viveka, die Unterscheidung zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit, die Unterscheidungskraft an sich. Doch was sind die Kriterien dafür?

 

Wesentliche Unterscheidungsmerkmale sind da die Eschatologie und die Analyse der Grundmotivationen, sowie auch die Betrachtung, ob eine Religion brennend oder erkaltet ist.

 

Doch nun zum ersten Unterscheidungskriterium:

 

Wesentlicher als die Details der einzelnen Praxis (wie was für Mantras man chantet oder ob das Gotteshaus nun Tempel oder Moschee heisst) , tiefer gehender als das „WAS“, was man genau tut, verehrt oder anbetet, ist immer die eschatologische Frage, was denn LETZTENDLICH angestrebt wird.

 

 

Das „Was“ – die eschatologische Frage

 

Eschatologische Frage

                                     (in allen spirituellen Traditionen der Welt)          

 

Erfahrung von Friede

(advaita)

Einheitsmystik

 

Erfahrung von Liebe

(dvaita)

Liebesmystik

 

Wohin mündet die Praxis letztlich hin? Was ist das, was ich wirklich will? Was ist das, was der Natur der Seele entspricht.?

 

Das nächste grundlegende Unterscheidungsmerkmal:

 

Das „Wie“ – die Frage nach der Grundmotivation

 

Man mag die gleiche Religion praktizieren, die gleichen Rituale und Sadhana, doch was entscheidet, ist letztlich die innerste Motivation.

Diese Analyse durchzieht alle konfessionellen Ansätze dieser Welt. Darin spielt es also überhaupt keine Rolle, ob man seine innere Praxis als christlich, buddhistisch oder hinduistisch bezeichnet.

 

Die spirituelle Praxis hängt ab von der Grundmotivation, vom „wie ich mich als Seele in dieser Welt platziere“. Und diese Urausrichtung ist unabhängig von konfessionellem Credo, unabhängig von Ritualen und unabhängig von visuellen Unterschieden In der Bhagavad Gita werden verschiedene Grundmotivationen für die spirituelle Praxis zusammenfassend als Karma, Jnana und Bhakti beschrieben.

 

Karma: Das Ziel ist innerweltlich – wie zum Beispiel Gesundheit und Friede auf dem Planeten, bis hin zu einem angenehmen Leben in dieser Welt oder in höheren Lichtwelten. Es geht um das Gelingen persönlicher Anliegen und Wünsche.

Man kann auch Gott dafür instrumentalisieren und ihn darum bitten.

Die Grundmotivation darin ist, etwas zu bekommen, zu erhalten… und man glaubt, Zufriedenheit existiere im Erfüllen seiner Wünsche.

 

Jnana: Das Ziel ist die Auflösung all dessen, was man innerhalb der Welt findet. Denn auch das Angenehmste geht vorbei und ist somit leidverursachend. Der Ansatz des Jnana ist die radikale Verneinung sämtlicher vorbeiziehender Phänomene, also auch der schönen. Man verneint auch Persönlichkeit, Form und sämtliche Dualität dieser Welt, somit auch die Liebe.

Die Grundmotivation darin ist, von etwas bewahrt zu werden… und man glaubt, Zufriedenheit existiere im Aufgeben seiner Wünsche.

 

 

Bhakti: Das Ziel ist die liebende Gottesbeziehung, wobei die Liebe dann natürlicherweise auch dahin fliesst, was mit ihm in Verbindung steht – und das ist auch die gesamte Schöpfung. Transzendieren der materiellen Welt und ihrer Umstände (mit Gott in Verbindung zu setzen) ist etwas anderes als das Negieren (die Grundmentalität des Jnana).

Man instrumentalisiert Gott aber nicht für persönliche Wunscherfüllung (karma) oder für das Bewahren vor Leiden (jnana), sondern will lernen, die Absicht Gottes selber zu ergründen und sich für diese zur Verfügung zu stellen. Die Freude in Bhakti rührt nicht aus der persönlichen Wunscherfüllung her, sondern in der Harmonie mit Gott.

Die Liebe schafft eine Einheit zwischen Gott (und seiner gesamten Schöpfung) und dem Lebewesen, die Individualität beibehält.

Die Grundmotivation darin ist, nicht etwas zu erhalten und von etwas bewahrt zu werden, sondern sich einzig und allein für Gottes Wünsche zur Verfügung zu stellen.  und Zufriedenheit existiert im Harmonieren mit seinen Wünschen.

 

Das Folgende ist eine kleine Analyse von Grundmotivationen… angefangen der niedrigsten bis hin zu höheren:  

 

 

Bhaya – Zuwendung zum Heiligen, zu Gott aus Angst (vor der Konsequenz der Unterlassung, oder vor seiner Strafe, vor seiner Grösse und Macht)

 

 

 

 

Asha – Zuwendung zu Gott aus materieller Ambition heraus, weil man etwas will (Friede,

            Gelingen von Vorhaben, Gesundheit, angenehmes Eingerichtet-sein im Zeitweiligen,

            Sorgenfreiheit, einen ruhigen Geist….)

                                    

 

 

 

dharma – Zuwendung zu Gott aus einem Pflichtgefühl heraus (religiöser Alltag,

                 Regelmässigkeit, Gewohnheit, weil es die ewige Aufgabe des ewigen Lebewesens 

                  ist)

 

 

 

 

 

raga – Zuwendung zu Gott aus Anziehung und Zuneigung heraus, Faszination ohne das Inbetrachtziehen von persönlichem Gewinn oder Verlust.

 

 

Ein weiteres wesentliches Unterscheidungsmerkmal von einem inneren Weg ist, ob er brennend oder erkaltet ist.

 

 

Brennende und erkaltete Religion

 

  Was wird unter einer brennenden Religion verstanden?

 

 Eine ‚brennende ‘ Religion ist die, die jenseits-orientiert ist und auf eine Erlösung nicht von der Welt, aber von der Identifizierung mit der Welt, setzt. Sri Krishna spricht in der Bhagavad Gita von der Heilung der unnatürlichen Situation, einen materiellen Körper zu besitzen (8.5 – muktva kalevaram „Befreiung vom Körper“ 5.23 – völlige  Befreiung vom Körper). Die Religion zeigt sich zwar in dieser Welt, erklärt aber von sich selbst, dass sie nicht von dieser Welt ist und nicht als Heilmittel für ein besseres innerweltliches Leben gedacht ist. Für die ‚brennende Religion‘ bedeutet In-der-Welt-Sein nichts anderes als „in-der-falschen-Veranstaltung-sein.“ Darum ist das Herzstück einer ‚brennenden‘ Religion: Heimkehr, Rückkehr in die ewige Welt, Liebe zu einem Gott, der sich nicht primär als Schöpfer, Erhalter und Auflöser materieller Welten versteht, sondern transzendent-bezogen.

Die Bhagavad gita spricht davon, dass Gott mehr ist als die kosmische Manifestation (9.5).

Auch das Christentum war über lange Zeit eine solche ‚brennende‘ Religion.

 

 

Wenn das diesseitige Hier nur als Provisorium, als Transitraum verstanden wird, dann ändert sich auch das Gesamtverständnis, wie man die gesamte Welt versteht.

Eine typische Grundhaltung für den religiösen Transitraum enthält zum Beispiel die Bergpredigt, wo die Heimkehr zum Königreich Gottes mehr gewichtet wird und in der Prioritätenliste höher steht als alle innerweltlichen Bemühungen um Sicherheit und Erhalt. In einer Welt, die von Selbstbehauptungskämpfen bestimmt ist, hat man aus weltlicher Perspektive mit der Bergpredigt auf Dauer keine Überlebenschancen. Aber darauf kommt es einer ‚brennenden‘ Religion auch gar nicht an. Ein ‚brennende‘ Religion ist in ihrem Selbstverständnis keine Einrichtung zur Stabilisierung irgendwelcher gesellschaftlicher Ordnungen: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“

 

Jesus lehrt nicht innerweltliches Einrichten, sondern aus ihm sprüht die brennende Religion:

 

„Als sie des Weges weiter zogen, sagte einer zu ihm: „Ich will dir folgen, wohin du auch gehst.“ Da sprach Jesus zu ihm: „Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester; der Menschensohn aber hat nicht, wohin er sein Haupt legen kann“.

Er sprach aber zu einem anderen: „Folge mir nach!“ Jener aber sprach: „Erlaube mir, zuerst hinzugehen und meinen Vater zu begraben.“ Er aber antwortete ihm: „Lass die Toten ihre Toten begraben; du aber geh und verkünde das Reich Gottes.“

Und ein anderer sagte: „Ich will dir nachfolgen, Herr; doch erlaube mir zuvor, von meinen Hausgenossen Abschied zu nehmen“. Jesus aber sprach: „Wer seine Hand an den Pflug legt und zurückblickt, ist nicht tauglich für das Reich Gottes.“ (Lukasevangelium, Kapitel 9)

Das alltägliche Lebensgefühl ist in der Regel nicht von dieser Dringlichkeit gezeichnet. Brennende Religion relativiert den ganzen Erlebnisbereich. Die eigenen Gefühle und emotionale Wahrnehmungen werden einem fremd  - als ob sie ein anderer empfände und als ob man selber beziehungslos in der Welt umher treiben würde.

Wenn sich der Mensch von allem löst, auch von seiner bisherigen Identifikationsrolle (das was man als sein Selbst betrachtet hatte), wird man diese wie ein fremdes Objekt betrachten.

 

Man wohnt dem, was einem zustösst, aus der Ferne, abgelöst von der provisorischen Ich-Rolle, bei, und lächelt leichthin über die Dinge, die einem im Leben widerfahren. Man ist Zuschauer des Lebens ohne sich zu gewaltig in dieses einzumischen.

Das ist die Erfahrung des Unzuhause, der Unheimlichkeit („kein Heim zu haben“).

 

Krishna sagt in der Bhagavad Gita (12.19)

 

aniketah sthira matir

 

„Derjenige, der sich nicht um eine Wohnstätte kümmert, der im Zeitweiligen kein Heimatsgefühl hat, ist mir sehr lieb.“

Das Wort, das Krishna da gebraucht ist aniketa. Mit Niketan ist ein Wohnort gemeint, aber kein gewöhnlicher, sondern ein spiritueller! Viele Ashrams in den Himalayas heissen "santi-Niketan“, Ort des Friedens.

Krishna meint also, dass es im Gottesbezug nicht um ein friedliches Einbetten geht. Er will nicht, dass man sich mit ihm in einer Scheingewissheit wähnt, die die Suche nach dem wirklichen Gott blockieren würde.

 

Krishna drängt einen immer weiter. Wohin weiss nur er.

Im Bhagavatam (11.9.14) heisst es:

“Eine Person, welche es ernst meint mit Transzendenz, soll alleine Leben und einfach durch die Umstände der Welt hindurchwandern ohne feste Residenz. Er ist wachsam, bleibt verborgen und handelt auf eine Weise, dass er von anderen gar nicht erkannt und beachtet wird. So lebt er unabhängig und spricht keine unnötigen Worte.“

„Ich selber bin seine Heimat. Er hat sein Heim in mir.“ (Bhagavad Gita 9.18)„

 

Vor der Begegnung mit dem Selbst kommt die Begegnung mit dem inneren Loch.

Es ist ein Loch des Mangels ausgelöst durch lebenslanges Ausfliessen in die äussere Welt.

Diese Seinswunde ist es, die nach Aufmerksamkeit verlangt.

Gewöhnliche Menschen haben ein Leben dafür gegeben, dieses Loch zu füllen. Dazu ist die Aussenwelt da. 

Und so will man das Loch füllen mit Beziehungen, mit Besitz, mit Dingen des Vergänglichen, mit Eindrücken und Erlebnissen, Erfahrungen und Ablenkungen aller Art, Beziehungen im Zeitweiligen. Man benützt Menschen, welche gar nicht die Aufgabe haben, meine eigenen Löcher zu füllen.

Bis wir nach langer Zeit der Lernunwilligkeit feststellen müssen, dass dieses Loch nicht füllbar ist.

Das „ich“ ist ein unfüllbares Loch. Dies anzuerkennen ist entweder eine Katastrophe oder eine Heilung – je nachdem in welchem Reifezustand man sich befindet.

 

Man bleibt einfach bei ihm sitzen, tritt ihm näher, bewusst und heilsam. Bis man bereit ist, für den Fall. Und da merkt man, dass man wirklich aufgehoben ist von Sri Krishna.

Erst wenn man andere Menschen und auch Gott nicht mehr gebraucht, Löcher zu füllen, wird man entdecken, was Freundschaft sein kann, was Gottesliebe wirklich bedeutet.

Begegnung mit dieser Leere, mit diesem Loch ist Erwachsenwerden. Man hat sich gelöst von der infantilen Vorstellung, das Loch könne gefüllt werden. Liebe ist eine Situation, die aus Erfüllung entsteht, nicht aus Mangel. Man lernt, dass man ganz alleine ist und erkennt vollständig die Konsequenzen, was Alleinsein wirklich bedeutet. Erst dann eröffnet sich Liebe.

 

Dann kann man wirklich sadhusanga haben und man missbraucht spirituelle Gemeinschaft nicht, um eigentlich zu sozialisieren oder eben Löcher zu stopfen..

So fühlt sich „brennende" Religion an: ungefilterte Ergriffenheit statt lauer Behaglichkeit.

 

Erkaltete Religion

Mit dieser ‚heißen‘ Ekstatik der etablierten Religionen ist es ziemlich vorbei. Aus ihnen ist weitgehend das kalte Projekt der Zivilreligion geworden. Sie sollen piritueller Flankenschutz geben bei der Bewältigung innerweltlicher Probleme, vor allem Moral, Schicksal und Sinn betreffend. Sie wird Begleitung an Momenten, wo alles zusammenfällt wie beim Tod. Die ‚kalte‘ Religion kommt ohne ernsthafte Transzendenz aus. Sie ist immanent gerichtet, pragmatisch, karitativ, rhetorisch. Die Glaubenswelt ist so weit psychologisiert und soziologisiert, dass daraus ein Gemisch wird aus Sozialethik, institutionellem Machtdenken, Psychotherapie, Meditationstechnik, Museumsdienst, Kulturmanagement, Sozialarbeit. Hoffnungen auf Erlösung haben sich, wo es sie noch gibt, von der letztendlichen Ebene auf die Befreiung von Krankheit und Schwierigkeiten verlagert. Reine Gottesliebe, ohne das Fragen nach Eigennutzen, ist in er erkalteten Religion einfach nicht das wesentliche Thema, welches einen beschäftigt.

Diese Veräusserlichung, Psychologisierung, Therapeutisierung, Medizinisierung des Gottesbezuges gehört zur Geschichte der Abkühlung der Religion.


‚Kalte‘ Religionen sind solche, die sich auf das Gesellschaftsdienliche herunterkühlen lassen. Mit einem Wort: die von dieser Welt und allein für diese Welt sein wollen.

Anders die ‚heiße‘ Religion: Ihre Wahrheit will das Ganze des Lebens erfassen und verwandeln; hier gibt es keine Trennung der Wertsphären des Privaten und Heiligen. Ihr geht es ums Ganze und sie greift nach dem ganzen Menschen. Sie will ihn von dieser Welt herauslösen.

 Die offiziellen spirituellen Traditionen sind in der Regel von „brennenden“ zu ‚erkalteten‘ Religionsprojekten geworden.



Verwechslung

Zur Zeit der Taliban-Herrschaft in Afghanistan berichtete ein deutscher Journalist von dem Gespräch mit dem „Außenminister“ der Taliban, der auf die Frage, weshalb das Regime keine Anstrengungen unternehme, das zerstörte Land wieder aufzubauen, mit einem Gleichnis antwortete. „Wenn Sie“, sagte er, „bei einem Rückflug nach Deutschland in einem unwirtlichen Land abstürzen, aber überleben und die Gewissheit haben, dass Sie in absehbarer Zeit zurückgeholt werden – dann würden Sie doch auch nicht damit anfangen, an dem Absturzort etwas aufzubauen.“ Das, so sagte der Außenminister, sei die Lage der Taliban: Sie würden bald ins Himmelreich eingehen. Es lohne nicht, an diesem hiesigen Elend noch etwas zu ändern. Das ist exakt jenes Transitraum- und Warteraumbewusstsein, welches man doch aus der brennenden Religiosität kennt. Oberflächlich betrachtet sieht es ähnlich aus wie brennende Religion – ist aber die barbarische Seite der brennenden Religion, die völlige Verdrehung der Entschlossenheit zur Transzendenz.

Wie lässt sich religiöse Erfahrung definieren? Vielleicht als das durch Rituale, Institutionen, Symbole stabilisierte Gefühl der Zugehörigkeit zu einem übergreifenden und tragenden Sinnzusammenhang; als eine authentische Beziehungserfahrung, Kontingenzbewältigung, Lebensorientierung. Man will in einem seelisch-geistigen Sinne zu Hause sein. Dieses Verlangen nach umfassender Sinnerfüllung ist wahrscheinlich grundlegend. Es kann unterschiedlich befriedigt werden. Und dieses Verlangen nach Sinn und Zugehörigkeit kann auch auf sehr ungöttliche Weise befriedigt werden.

Religionen können pervertieren – man spricht dann von ‚Ersatzreligionen‘ oder Ideologien. Der Nationalsozialismus war auch eine solche Ersatzreligion, ein aus religiösen Motiven gespeister Aufstand gegen die Zumutung einer säkularisierten, pluralistischen Moderne. Carl Friedrich von Weizsäcker schrieb kurz nach dem Ende der Naziherrschaft: „Der Nationalsozialismus war eine Religion. Glaubenssehnsucht, die die Kirche nicht mehr erfüllte, Glaubenskraft, die die Kirche nicht mehr band, sind in ihn eingeflossen.“

Wenn man die potenzielle Schattenseite der brennenden Religion nicht genau beleuchtet, ist es höchstwahrscheinlich, dass man in deren Einflussbereich ist.
Die pathologische Form der Heimatlosigkeit ist das krankhafte Loslösen, einfach weil es nicht mehr auszuhalten ist. Versöhnung mit den Umständen und die Zufriedenheit in ihnen ist die Voraussetzung für deren Überwindung.

Heimatlosigkeit ist nicht gleichzusetzen mit innerweltlicher Gleichgültigkeit. Viele wollen dieses eschatologische Gefühl vermeiden und dies führt zu krampfhaften Versuchen, Halt zu finden im Gehäuse einer Weltanschauung, Religion, Menschengruppe oder einer Beziehung.

Nach-Gedanke

 

In unserer Zeit, wo sich die Orientierung vom Monopol der Kirche abgetrennt hat und jeder seine eigene Patchwork-Version der Religion kreiert,  sind diese drei Unterscheidungsmerkmale sehr wesentlich. Und die Betrachtung derer legt ein Grundfundament des inneren Weges.